Senyoria by Cabré Jaume

Senyoria by Cabré Jaume

Autor:Cabré, Jaume [Cabré, Jaume]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Suhrkamp Verlag
veröffentlicht: 2015-07-19T16:00:00+00:00


Am Tag nach Allerseelen ging Galana, zum Schutz vor dem Regen unter ein Stück Sackleinen geduckt, zur gewohnten Stunde nach Cal Peric hinüber und dachte, mal sehen, wie er die Nacht überstanden hat, der arme Senyor Ciset, er kann einem wirklich leid tun, so, wie er an seiner Frau gehangen hat. Sie hatte ihm geraten, die erste Nacht woanders zu schlafen, bei einem Nachbarn, aber er hatte verstockt abgelehnt, nein, das kam nicht in Frage, er wollte zu Hause bleiben und Remeis gedenken, die sie doch erst wenige Stunden zuvor auf den Friedhof getragen hatten. Nicht einmal das Hemd, das sie halbgeflickt zurückgelassen hatte, hatte Senyor Ciset anrühren wollen. Er wird schon sehen, was er davon hat, dachte Galana, aber leid kann er einem doch tun. Ich möchte wissen, wozu ihnen der ganze Haufen Geld genützt hat – wenn sie ihn überhaupt haben, das ist wirklich alles sehr merkwürdig.

Als sie das Haus betrat, sagte sie grüß Gott wie jeden Tag und dachte an Senyora Remei, die jetzt geantwortet hätte, guten Tag, Galana. Aber statt des Grußes vernahm sie Senyor Cisets bösen Husten, und da wußte sie, daß er noch lebte, daß er die erste Nacht ohne Senyora Remei überstanden hatte, obwohl er doch gehofft hatte zu sterben, wie er gesagt hatte, als er ihr das halbgeflickte Hemd aus den Händen riß und sprach, Galana, das bleibt so, wie es ist, bis ich sterbe, und ich hoffe, das geschieht noch heute nacht. Und sie hatte erwidert, Senyor Ciset, so was sagt man nicht, und er hatte das Hemd an seine Brust gedrückt und statt einer Antwort nur gehustet. Und nun hatte Galana den Sack, mit dem sie sich vor dem Regen geschützt hatte, abgelegt und am Eingang ausgeschüttelt und stieg nach ihrem unerwiderten Gruß die Treppe hinauf, und da sah sie ihn im Schlafzimmer auf dem Bett sitzen, in dem Senyora Remei zuletzt gelegen hatte. Er hatte sich in eine Decke gehüllt, starrte den unförmigen, kalten Wachshaufen auf dem Kerzenhalter an und rührte sich nicht, woraus Galana schloß, daß er sie nicht bemerkt hatte. Sie räusperte sich diskret, um auf sich aufmerksam zu machen, und sagte:

»Guten Morgen, Senyor Ciset.«

Ciset hob den Kopf und sah sie verwundert an. Er brauchte einen Augenblick, um zu reagieren, und als er etwas sagen wollte, bekam er einen Hustenanfall und spuckte mit vor Anstrengung verzerrtem Gesicht erneut ein Stück seiner Seele aus, und Galana dachte, der arme Mann.

Schwerfällig stand Ciset auf und kam zur Zimmertür. Guten Morgen, sagte er und dachte, die Nacht war schon furchtbar genug, aber das Schlimmste kommt erst noch, denn die Vorstellung einer langen Reihe ruheloser Tage und Nächte ohne Remei und mit diesem Pflatsch! im Kopf erschien ihm unerträglich. Wer weiß, wie lange es noch dauern würde, bis seine Stunde schlug, gebe Gott, daß es bald soweit ist, dann hat meine Seele Ruhe vor diesem gräßlichen Geräusch.

Guten Morgen, sagte er noch einmal und machte sich auf den Weg ins Erdgeschoß, ohne recht zu wissen, was er dort sollte. Als Galana ihn fragte, und wie geht es Euch heute, Senyor Ciset, blieb er stehen und wandte sich um.



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